Daumen hoch für Robert Schabus und seine Doku
“Wachse oder weiche“ – Über Jahrzehnte war Österreichs Landwirtschaft geprägt von diesem Leitspruch. 1970 ernährte ein Bauer in Österreich 12 Menschen. 2016 kommen auf jeden Landwirten 80 Menschen. In Deutschland sind es 145 Menschen. In Frankreich ist der Druck schon so hoch, dass jährlich 600 Bauern Selbstmord begehen. Tausende Bauern haben in Ö aufgegeben oder wirtschaften heute im Nebenerwerb. Die verbliebenen sind gewachsen, haben sich spezialisiert, ihre Produktion intensiviert, investiert. Doch selbstbestimmte Bauern sind selten geworden.
Nach dem erfolgreichen Kinostart am 11.11.2016 (biologisch.at berichtete: https://www.biologisch.at/bio-tv/web-videos/item/1424-bauer-unser) gibt es nun auch Vorführungen ausserhalb der Kinos, wie z.B. am 24.1.2017 im Audimax der alten WU, boku / Augasse. Im Anschluss fand eine Diskussion mit dem Regisseur Robert Schabus, Bio-Bäuerin Maria Vogt und dem stv. Obmann der österr. Jungbauernschaft Franz Xaver Broidl statt.
biologisch.at-Betreiberin Silvia Fischer: “Die zahlreichen Kinobesucher aber auch der gsteckte Hörsaal der boku Augasse (über 600 Besucher, siehe Foto ) zeigen das große Interesse der Bevölkerung an diesem Thema, schließlich handelt es sich ja auch um unsere LEBENSmittel. Dank Robert Schabus wird die zum Teil katastrophale Lage der Bauern öffentlich diskutiert. Hoffentlich tragen diese Diskussionen auch Früchte, sodass die Bauern die Krise als Chance sehen und auf Qualität statt Quantität setzen, die Bauernvertreter sich für eine gerechte Preispolitik einsetzen und die Politiker endlich die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und Konsumenten realisieren, auf wessen Kosten die Billigstlebensmittel im Supermarkt gehen. Die Biobäuerin im Film wirkt glücklich, jedoch ist Bescheidenheit ein Kriterium, um in diesem Beruf Zufriedenheit zu erlangen. Die Megalandwirte sind großteils verzweifelt und wütend, jedoch im System gefangen, weil sie Kredite abzahlen müssen. Am erschütterndsten war für mich die Tatsache, dass in Frankreich jährlich 600 Bauern Selbstmord begehen.” Siehe dazu auch:
Regisseur Robert Schabus porträtiert in “Bauer unser” großteils Höfe, die auf Quanität gesetzt haben wie z.B. den industrialisierten Großbetriebe mit über 65.000 Legehühnern, aber zeigt auch jene, die sich spezialisiert haben und wo Qualität im Vordergrund steht, wie bei der Biolandwirtschaft. Anhand der Lebenswirklichkeit dieser Bäuerinnen und Bauern im Spannungsfeld zwischen Hochspezialisierung und alternativen Systemen stellt der Film die Verantwortung von Politik, Handel und der Konsumenten zur Diskussion. Es werden sowohl die Produktionsbedingungen auf den Bauernhöfen als auch die Situation in der weiterverarbeitenden Industrie und dem Handel beleuchtet. Dabei kommen die porträtierten Bauern selbst sowie Agrarexperten und Politiker zur Wort.
Kritisch setzt sich der Film mit dem freien Markt für Lebensmittel und der diesbezüglichen EU-Politik auseinander, die für die europäische Landwirtschaft einen rein marktwirtschaftlich orientierten Kurs vorgibt und ihr Heil im Freihandel sucht. Dadurch müssen sich die Bauern dem globalen Nahrungsmittelwettbewerb stellen, in dem ein erbitterter Preiskampf tobt und kleinere landwirtschaftliche Betriebe vielfach auf der Strecke bleiben. So haben alleine in den letzten 20 Jahren über 70.000 österreichische Bauern ihre Höfe aufgegeben. Die verbliebenen haben überwiegend dem Druck zur Spezialisierung nachgegeben, ihre Produktion intensiviert, hohe Summen investiert oder wirtschaften nur noch im Nebenerwerb.
Parallel dazu zeigt “Bauer unser” auch funktionierende Gegenentwürfe abseits dieses seit Jahrzehnten vorherrschenden Prinzips vom Wachsen-oder-Weichen auf: Bauern, die der Abhängigkeit von Industrie und Handel bewusst abschwören und bei der Vermarktung und Verkauf auf alternative Modelle setzen.
Presseheft mit vielen Details zum Film